#03 Ein Blick hinter die Krisen Kulissen

Aktuell wird in der deutschen Presse vermehrt über eine drohende Krise am deutschen Immobilienmarkt berichtet. Aber Moment: Waren wir nicht bereits wieder in der Erholungsphase?

Es lohnt sich, sehr genau hinzuschauen und nicht zu pauschalisieren. Denn anders als zurzeit in China oder in den USA und Spanien ab 2007 erleben wir in Deutschland keine Immobilienkrise aus sich selbst heraus. Das heißt, es existiert weder ein fundamentales Missverhältnis aus Angebot und Nachfrage noch eine massive Überschuldung. Was wir stattdessen erleben, ist eine zyklische Korrektur aufgrund der schnellen und massiven Zinswende. Und diese haben wir bereits größtenteils hinter uns.

Was heißt hier Krise?

Die Definitionen einer Krise gehen leicht auseinander. Oxford Languages definiert eine Krise als „schwierige Lage, Situation, Zeit [die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt]“. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) spricht von einem „Zeitraum […] massiver Störungen des […] wirtschaftlichen Systems“. Sie stellt gleichzeitig die „Chance zur Verbesserung“ in den Vordergrund. Häufig wird Krise als Wendepunkt von Ereignissen gesehen, dies vor allem aber aus geopolitischer Sicht.

Eine Immobilienkrise kann man am besten als eine endogene Entwicklung sehen, in der eine Phase der Wertberichtigung und des „Stresses“ ausgelöst wird – entweder aufgrund einer fundamentalen oder einer zyklischen Schieflage des Immobiliensektors selbst.

Was wir global 2007 und in den Folgejahren erlebt haben, war eine Immobilienkrise in den USA: Dort gab es eine Überfinanzierung von (privaten) Investments und Projektentwicklungen, die im Endeffekt zu übermäßiger Bauaktivität und zu Überschuldung führten. Das US-Finanzsystem exportierte dieses Problem wiederum durch Finanzprodukte (1) in die Welt. Oder andersherum: Die Welt importierte die Probleme – es wurde ja niemand gezwungen, diese Produkte zu kaufen. Dies hatte eine Kredit- und Finanzkrise zur Folge, die auf die Realwirtschaft wirkte.

Und erst Letzteres hat den deutschen Immobilienmarkt getroffen. Hierbei hatte Deutschland im Grunde kein endogenes Immobilienthema – einige zu aggressiv finanzierte Investments „außen vor“ gelassen. Was den deutschen Immobilienmarkt in erster Linie beeinflusst hatte, war die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die eine geringere Nachfrage nach kommerzieller Mietfläche bedingte. Wohnimmobilien waren von dieser Entwicklung fast nicht tangiert. Man kann also kaum von einer Immobilienkrise in Deutschland sprechen.

Das sah in Spanien beispielsweise anders aus, wo eine massive spekulative Überbauung – an der Nachfrage vorbei – im Bereich Wohnimmobilien zu einer jahrelangen Preiskorrektur und einer Verschärfung der Rezession geführt hat.

Zurück in die Gegenwart

Was wir seit dem Jahr 2022 in Deutschland erleben, sind allem voran die Auswirkungen der Zinswende und der gestiegenen Finanzierungskosten, die zu einer deutlichen Preiskorrektur geführt haben. Es ist somit vor allem der exogene Faktor, dass „Geld nicht mehr umsonst ist“, der für die aktuelle Entwicklung verantwortlich ist. Das ist insbesondere deshalb so stark ausgeprägt, weil die über Jahre währende Niedrig- und Nullzinspolitik Immobilien auch bei sehr hohen Einstiegspreisen rechnerisch attraktiver machten als Anlagealternativen wie Anleihen oder Tagesgeld.

Ein Risiko bleibt im Wohnimmobilienbereich, wie in den anderen Sektoren, die Situation bei einer Refinanzierung. Einerseits können sich höhere laufende Kosten manifestieren. Andererseits steht bei gefallenen Werten den Finanzierungen gegebenenfalls ein hoher Loan-to-Value (LTV) gegenüber.

Im Wohnsegment herrscht Flächenmangel – kein Überschuss

Fundamental hingegen stehen weite Teile des deutschen Immobilienmarktes stabil da. Es ist ja eher im Gegenteil so, dass wir eine Krise der Flächenknappheit im Wohnungsbereich erleben. Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich, was den Druck auf Mieten hochhält. Mit dem nun deutlich nachhaltigeren Preisniveau erachten wir den Einstiegszeitpunkt in die Anlageklasse daher als sehr attraktiv.

In aktuellen Artikeln von Focus (2) und Business Punk (3) greift der Autor den UBS Global Real Estate Bubble Index mit dem Hinweis auf, dass München und Frankfurt am Main dabei seien. Tatsächlich ist München seit dessen Aufnahme in den Index im Jahr 2016 im „Bubble-Territory“. Rückblickend sind wir uns aber einig, dass es 2016 eine gute Idee gewesen wäre, in München Wohnimmobilien zu kaufen – oder etwa nicht? In der 2016er-Ausgabe schrieb die UBS zudem, „all European cities, apart from Milan, are at least in overvalued territory (4)“. Das verdeutlicht die Schwierigkeit, eine Blase und vor allem das bevorstehende Platzen einer Blase zu identifizieren.

Strukturwandel im Bürosegment

Ein wenig anders ist die Lage im Bereich der Büroimmobilien. Denn hier treffen globale strukturelle Themen auf zyklischen Gegenwind aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation. Deutschland ist hierbei aber sicherlich nicht solitär zu sehen. Das Problem ist globaler Natur und in den USA sehr ausgeprägt. Bestimmende Themen sind die Möglichkeiten der Remote-Arbeit, die die Auslastung von angemieteten Flächen vieler Unternehmen zum Teil massiv beeinflusst. Das erklärt die aktuell sehr verhaltene Nachfrage von Investoren nach den entsprechenden Immobilien.

Die Risiken, die von der Entwicklung in China und den USA ausgehen, bleiben dennoch für den Gesamtmarkt und die involvierten Parteien relevant. Das kann, wie schon im Zyklus 2008/09, gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben und auf die Nachfrage nach (kommerzieller) Fläche wirken. Die Nachfrage nach Wohnraum bleibt dabei hingegen zu vernachlässigen.

Auch können sich die Themen negativ auf das allgemeine Investmentsentiment auswirken. Dem gegenüber steht allerdings die Tatsache, dass der deutsche Markt bereits ein deutliches Repricing durchlaufen hat und damit als Investmentstandort wieder attraktiver ist.

Also haben wir jetzt eine Immobilienkrise in Deutschland, ja oder nein?

Ein ganz klares „Jein“. Oder besser: „Ja, aber nur punktuell.“ In manchen Segmenten haben wir eine Krise, in anderen dürfte nun eine Aufschwungphase beginnen.

Der Bürosektor ist (weiterhin) in der Krise, ja. Dort wird von den Märkten aktuell aber vielleicht sogar übertrieben und verallgemeinert, sodass es individuell interessante Investmentopportunitäten gibt. Die Projektenwicklungs- und Baubranche ist ebenfalls in der Krise. Auch einige Marktteilnehmer, die von der Dynamik der Investmentmärkte abhängig sind, sind in der Krise – das ist aber hoch individuell und weniger ein systemisches Thema.

Aber andere Sektoren, wie der Bereich Logistik, Hotel, Life-Science, Data-Center und sogar der Einzelhandel und insbesondere der Wohnimmobilienbereich, sollten aus der allgemeinen Debatte herausgenommen und sehr individuell betrachtet werden. Es gibt aktuell sogar eher Chancen für diejenigen, die genauer hinsehen – und nicht alle Immobilienarten sprichwörtlich in einen Topf werfen.

(1) MBS – Mortgage Backed Securities, CMOs und CDOs

(2) Immobilienkrise frisst sich wieder um den Globus – die erste deutsche Bank wankt - FOCUS online

(3) China wankt, USA weint - Autsch, sind wir als nächstes dran? Die globale Immobilienkrise haut rein - Business Punk (business-punk.com)

(4) UBS 2016: Bubbleindex_US_finalversion.pdf (ubs.com)

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Ansprechpartner

Mark Holz

Head of Research | Frankfurt

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