#00 Mission Statement
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Welt und die Art und Weise, wie und wo wir Immobilien nutzen, rapide und nachhaltig verändert. Diese Realität muss sich in Immobilieninvestmentstrategien widerspiegeln und modernes Research ist dabei ein fundamentales Element, um Chancen und Risiken einordnen zu können. Quantitative Ansätze und qualitative Ansätze müssen hierbei ineinandergreifen.
Nur diese Symbiose kann einen ganzheitlichen Blick und Ausblick auf den Markt liefern. Sie ist Grundlage und Versprechen des Lübke Kelber PropBlogs – Zustand und Zukunft.
Willkommen.
Über viele Jahrzehnte fand Immobilienmarkt-Research nahezu ausschließlich auf Daten- und Modell-Ebene, also rein quantitativ statt. Deshalb hätte ich noch vor wenigen Jahren die Akzente eines solchen Mission Statements deutlich stärker im qualitativen, trendbasierten Research gesetzt. Schließlich ist die Welt ausgesprochen schnelllebig und disruptiv. Das kann Modelle, die auf historischen Daten basieren, obsolet machen. Allerdings zeigt das aktuelle Umfeld aus geopolitischen Krisen sowie Inflations- und Zinsschock, dass zyklische Analysen einen mindestens ebenso hohen Wert für die Einschätzung der Immobilienmärkte haben.
Aus Investorensicht müssen beide Ansätze Hand in Hand gehen. Faktische, daten- und erfahrungswertbasierte quantitative Analysen können vor allem einen zyklischen Verlauf abbilden und kommende Entwicklungen prognostizieren. Hauptziel ist dabei, den kurz- bis mittelfristig besten risikoadjustierten Return für Immobilieninvestments(1) zu bestimmen: „Wann und wo ist ein guter Markteinstiegszeitpunkt? Wann suche ich den Exit?“
Qualitative Ansätze blicken dagegen über den Zyklus hinaus, was bei Immobilieninvestments, die ja durchaus zehn, fünfzehn oder mehr Jahre gehalten werden, enorm relevant ist: „Ist mein Investment in fünfzehn Jahren noch marktgängig und liquide?“
Qualitative Analysen: Qualität ist das Ergebnis angestrengten Denkens(2)
Bei qualitativen Analysen geht es in erster Linie darum, (Mega-)Trends zu erkennen, zu erfassen und in Szenarios zu durchdenken. Die Leitfrage ist dabei: „Was bedeutet das langfristig für die Immobilienmärkte?“
Zwei Beispiele, wo quantitative Analysen in der jüngeren Vergangenheit nicht gegriffen haben, sind Berlin, dessen Performance die meisten Modelle vor fünf bis zehn Jahren unterschätzt haben, sowie die Underperformance von des klassischen High Street Einzelhandels. Für beide waren strukturelle und disruptive Entwicklungen die verantwortlichen Treiber.
Research muss daher sehr breit aufgestellt und in der Lage sein, außerhalb von Standard-Schemata zu denken. Es muss über die fundamentalen Angebots- (Bestand, Leerstandsquoten sowie investierbares Produkt) und Nachfragekennzahlen (Take-up, Nettoabsorption und Marktliquidität) hinausgehen. Vielmehr müssen die dahinter liegenden Treiber identifiziert, verstanden und weitergedacht werden, um Schlüsse ziehen zu können, wie soziokulturelle Entwicklungen, demografischer Wandel und technologischer Fortschritt die Parameter beeinflusst.
Das umfasst Themen wie:
- Die voranschreitende Automatisierung von bürogebundener Arbeit – sind Backoffice-Lagen „at Risk“?
- Der Widerspruch von international arbeitenden Unternehmen, die die wichtigsten globalen Wachstumstreiber darstellen, und national-protektionistischen politischen Tendenzen. Wo steht (und lebt) die globale mobile Arbeiterschaft in dieser Dichotomie?
- Globale demografische Entwicklungen sind vielschichtig und zum Teil gegenläufig, haben aber erheblichen Einfluss auf Wohnimmobilienmärkte, Pflege- und kommerzielle Immobilien. Denn „Demografie erklärt zwei Drittel von allem.“(3)
Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Quantitative Analysen – Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich aber
Während die oben genannten Aspekte äußerst wichtig sind, besteht die wahre Kunst darin, sie mit einem Preisschild oder einem Risiko-Premium zu versehen, um einen risikoadjustierten Fair-Value für einzelne Assets, ein Portfolio oder einen gesamten Markt zu bestimmen. Hierfür sind quantitative Aspekte ausschlaggebend, da das Gewicht und die Relevanz verschiedener Faktoren sich im Laufe der Zeit und im Laufe eines Zyklus wandeln.
Daher sind historische Zyklusverläufe, Korrelationen und Kausalitäten entscheidend, um aktuelle Entwicklungen zu verstehen. Wie reagiert die Nachfrage nach kommerzieller Fläche auf wirtschaftliche Schocks oder in Zeiten hoher Inflation? Wie in Aufschwungsphasen? Wie verhält sich das Zinsumfeld in steigenden oder fallenden Märkten? Wie wirken Angebot-Nachfrage-Ungleichgewichte auf die zukünftige Performance und Wertentwicklung eines Markts?
Für die Beantwortung dieser und weiterer Fragen ist ein tiefes Verständnis fundamentaler Wirtschafts- und Immobiliendaten ausschlaggebend(4). Ausgereifte Modelle und Prognosen helfen bei der Identifikation von Misspricing im Markt und unterstützen bei Investment- oder Disinvestment-Entscheidungen.
Gleichzeitig bleiben Black Swans, wie die COVID-19-Pandemie(5) und die Invasion der Ukraine, Ereignisse, die auch die besten Modelle nicht vorhersagen oder abbilden können. Sie bleiben ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, dass es auch in Zukunft unvorhersehbare Ereignisse geben wird, die Zyklizität mit sich bringen. Szenario-Analysen zur Einwertung von Risiko und Return sind also der Schlüssel zur Einschätzung zukünftiger Entwicklungen. Investoren und Bestandshalter sollten dabei ein gewisses Maß an Flexibilität, um ihre Strategien anzupassen, beibehalten. Für all das bilden quantitative Analysen das Rückgrat.
Also, worum geht es hier im Lübke Kelber PropBlog?
In diesem PropBlog werden wir sowohl die langfristigen und strukturellen Trends als auch die zyklischen Bewegungen untersuchen und in einen Gesamtkontext einordnen. Wir möchten unsere Leser damit nicht nur unterhalten, sondern auch mit Analysen und Meinungen zu aktuellen Themen und komplexen Zusammenhängen in ihrem Geschäft unterstützen. Immer mit dem Blick nach vorne. Immer auf Grundlage aktueller Tatsachen(6).
Lübke Kelber Propblog – Zustand und Zukunft
(1) Die Ergebnisse solcher Analysen hängen maßgeblich vom Risiko-Profil des jeweiligen Anlegers ab.
(2) Nach John Ruskin
(3) Zu diesem Schluss kommt der kanadische Ökonom Dr. David Foot.
(4) Dafür bedarf es höchstmöglicher Datenqualität, was – wie wir alle wissen – im Bereich Immobilien nach wie vor verbesserungswürdig ist. Die Märkte sind weniger transparent als andere Assetklassen und sogar Definitionen können uneinheitlich sein, vor allem grenzübergreifend. Deshalb sind Erfahrung und lokale Marktkenntnis entscheidend.
(5) Allerdings erklärt Nassim Taleb, der den Begriff „Black Swan“ (Schwarzer Schwan) geprägt hat, dass die COVID-19-Pandemie im Grunde gar kein solcher ist. Seine Erklärung lesen Sie hier: https://www.bloomberg.com/news/videos/2020-03-31/nassim-taleb-says-white-swan-coronavirus-pandemic-was-preventable-video
(6) Und gerne mit Karten. Wir lieben Karten.