Taxonomie in der Immobilienbranche
Die ESG-Kriterien für grüne Investitionen in den Gebäudesektor sind definiert. Wie gut ist die Immobilienbranche vorbereitet?
Nicht nur Finanzmarktteilnehmer sind verpflichtet, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlageentscheidungen miteinzubeziehen. Die ESG-Kriterien sind jetzt auch in der Immobilienwirtschaft angekommen und werden für Investoren eine zunehmend stärkere Rolle spielen.
Die Offenlegungsverordnung legt seit März 2021 umfassende Berichtspflichten für die Nachhaltigkeitsrisiken von Investments fest. Die seit 1.1.2022 geltende Taxonomie-Verordnung definiert, welchen Investitionen als nachhaltig gelten und wie hoch deren Beitrag zum Klimaschutz ist. Nicht Taxonomie-konforme Immobilien könnten auf lange Sicht weniger stark nachgefragt werden und schwieriger finanzierbar sein.
ESG – ein Treiber
Zunächst müssen die börsennotierten Unternehmen über ihre Fortschritte berichten und ihre Aktivitäten transparent machen. Aber auch bei nicht-börsennotierten Unternehmen können sich mangelhafte ESG-Reportings nachteilig auswirken. Auch von diesen Unternehmen wird erwartet, über ihre Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit öffentlich zu berichten. Wer wird in Zukunft noch in Unternehmen und Projekte investieren, die eine negative Umweltbilanz aufweisen, deren Compliance Management lückenhaft ist oder die keine soziale Verantwortung übernehmen? Werden in Zukunft nur noch Investitionen in ESG-konforme Projekte getätigt? Investoren, Bauträger, Verwalter, Makler und Architekten werden sich mit den ESG-Themen beschäftigen müssen. Auch für Asset Manager ist es keine triviale Aufgabe, eine ESG-Bilanz über ihre Assets auszustellen.
Insgesamt wird Nachhaltigkeit – gerade im Bereich Residential, bei Neubau und Bestand – auf lange Sicht zu einem Wettbewerbsvorteil. Die Wohnansprüche der Bevölkerung ändern sich, wir werden immer älter, der Bedarf an Singlewohnungen steigt. Elektromobilität, kluge Ausnutzung der vorhandenen, knappen Flächen und Barrierefreiheit sind wichtige Stichpunkte für die Gestaltung moderner Wohnräume. Auch soziale Fragen wie der Bedarf nach bezahlbarem, in der Regel öffentlich gefördertem Wohnungsbau, sind von Bedeutung. Dieser galt bei Investoren lange als renditeschwach. Das muss sich ändern. Der Investitionsbedarf ist hoch. Um den Anteil an Sozialwohnungen zu erhöhen, ist die Politik auf private Investoren angewiesen und hat dafür die finanziellen Rahmenbedingungen verbessert.
Anreize für Taxonomie-Konformität
Umweltfreundliche, energieeffiziente Wohnimmobilien können in Zukunft also einen wesentlichen Beitrag leisten, unternehmerische Risiken der Branche zu minimieren sowie Wertschöpfungspotentiale und Reputation zu steigern. Die große Aufgabe: Die ökologischen Ziele und die erforderlichen Investitionen müssen ökonomisch geplant und umgesetzt werden.
Es gibt noch offene Fragen
Die Immobilienbranche wird ihren Anteil zur Erreichung der Klimaziele und an gesellschaftlicher Verantwortung leisten. Ein 600-Seiten-Bericht der technischen Expertengruppe (TEG) macht dazu strenge Vorgaben. Doch es bestehen Unklarheiten in den Vorgaben und Anwendbarkeit der Kriterien sowie fehlende Anreize für die Umlenkung der Investments in nachhaltige Projekte. Einem Großteil der Unternehmen fehlt das Wissen, welche Kriterien eine Immobilie erfüllen muss, um als Taxonomie-konform zu gelten. Das betrifft nicht nur den Bereich Umwelt (E), sondern auch die Aspekte Miteinander und Soziales (S) sowie Unternehmensführung (G). Wie sind diese Renditen messbar? Und wie kann man diese teilweise immateriellen Werte bilanzieren? Wie kann der gesellschaftliche Nutzen, der soziale Mehrwert, überzeugend abgebildet werden?
Ein gutes Beispiel für die Verunsicherung ist auch die Debatte über die Nachhaltigkeit von Atomkraft und Gas. Die EU befürwortet das, Deutschland steht dem ablehnend gegenüber. Hier müssen strategische Entscheidungen getroffen werden, die die Branche in eine sichere, nachhaltige Zukunft begleitet.
Immobilien sind ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsfürsorge. Die Branche ist im Wandel, die Geschäftsmodelle werden überprüft. Die ESG-Themen sind von allgemeinem Interesse von allen Stakeholdern – und kein rein deutsches Thema. Es beschäftigt die ganze Welt.