#04 Kelber’s Law: So groß dürfen Transaktionen sein
Eine häufig diskutierte Frage bei Immobilieninvestments ist: Wie groß kann eine Transaktion maximal sein, um in einem bestimmten Markt liquide zu bleiben und eine klare Standortpräsenz aufzubauen, ohne zu viel auf eine Karte zu setzen?
Ein Ansatz in aller Kürze:
Maximales Volumen pro Transaktion = Einwohner x 1.000 €
Um der Frage nach der idealen Transaktionsgröße auf den Grund zu gehen, haben wir historische Transaktionsdaten von MSCI und unserer Datenbank ausgewertet. Die zu untersuchende These ist, dass es eine Korrelation zwischen der maximalen Transaktionsgröße und die jeweilige Einwohnerzahl der Stadt gibt. Denn Städte wie Berlin oder München bleiben auch bei großvolumigen Transaktionen liquide, während in Kleinstädten wie Oberursel oder Weinheim Transaktionen jenseits von 100 Millionen Euro nur schwer umsetzbar sind. Wir haben 406 Städte in Deutschland hinsichtlich dieser Fragestellung untersucht.
Ticketsize[max] = EW x 1.000 €
Das Ergebnis dieser Analyse ist erstaunlich plakativ. Wir kommen zu dem Schluss, dass eine Transaktion – als Faustregel – etwa dem 1.000-Fachen der jeweiligen Bevölkerung entsprechen kann. Beispielhaft wären das in
- Berlin rund 3,8 Mrd. €,
- in München 1,5 Mrd. €
- in Erfurt circa 200 Mio. €
- und in Emden circa 50 Mio. €.
Zwar gibt es hierbei eine hohe Standardabweichung, aber das jeweilige Volumen der größten Transaktion beträgt im Durchschnitt 891 Euro pro Einwohner bei einer Korrelation von 0,92. Wenn wir uns auf die Städte begrenzen, in denen die größte Transaktion über 15 Millionen Euro lag, steigt das Volumen pro Einwohner auf 950 Euro.
Wir gehen davon aus, dass es eine bestimmte Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Erfassung der Transaktionen gibt – vor allem in kleineren Orten. Der tatsächliche Wert dürfte daher sehr nah an 1.000 Euro pro Einwohner herankommen.
Grafik 1: Größte Transaktion und Einwohner der deutschen Städte
Quelle: Statistische Landesämter, MSCI, Lübke Kelber Research.
Ausnahmen sind die Regel
Wie die Grafik 1 zeigt, die diese Beziehung logarithmisch darstellt, gibt es große Abweichungen nach oben und nach unten. Dies war aufgrund der Polyzentralität der deutschen Städtelandschaft und der Komplexität der verschiedenen Immobiliensektoren zu erwarten.
So liegen beispielsweise kleinere Städte, die strategisch wichtige Logistikhubs darstellen, deutlich oberhalb der zu erwartenden Normalverteilung. Bad Hersfeld ist ein Beispiel, das mit knapp über 30.000 Einwohnern eine Transaktion jenseits von 80 Millionen Euro verzeichnet. Gleiches gilt für Werl, wo Brookfield 2021 ein Distributionszentrum für knapp 90 Millionen Euro erworben hat. Andere Beispiele sind Städte, in denen sehr große Fachmarkt- und Einkaufszentren oder Factory Outlet Stores verkauft wurden. Beispiele sind das Centro in Oberhausen und das FOC Zweibrücken. All das sind Objekte mit regionaler beziehungsweise überregionaler oder sogar nationaler Reichweite, die auch entsprechendes Kapital anziehen.
Andersherum gibt es auch Städte wie Chemnitz oder Gelsenkirchen, in denen, auch aufgrund ihrer strukturellen Schwächen, kaum großvolumige Transaktionen abgeschlossen wurden. Dort liegt die größte Transaktion jeweils bei unter 300 Euro pro Einwohner.
(Nur) eine Faustregel: Kelber’s Law
Trotz der offensichtlichen Ausnahmen bietet diese Faustregel einen nützlichen ersten Hinweis, ob eine Investmentopportunität rein von der Größe her zu einer Stadt passt. Damit lässt sich eine schnelle Ersteinschätzung der Liquidität des Produktes treffen.
Im Detail kommt es dann natürlich auf den jeweiligen Einzelfall, das Produkt und den Sektor an. Und vor allem auf die individuellen Gegebenheiten der einzelnen Städte. So funktionieren Klein- und Mittelstädte in direkter Nachbarschaft zu Metropolen anders als solitär gelegene Städte. Ähnliche Sonderstellungen haben Hochschulstandorte oder Städte mit herausragender Verkehrsanbindung.
Auch zyklische Entwicklungen haben Einfluss auf die Marktliquidität. So sind aktuell großvolumige Transaktionen von mehr als 100 Millionen Euro generell selten und insbesondere in den Mittelstädten und kleineren Großstädten rar. Vor der Zinswende war das Bild noch ein anderes. Da unserer Analyse eine langfristige Datenbasis zugrunde liegt, kann sie zyklische Themen nur bedingt widerspiegeln, sondern ist struktureller Natur.